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      • 7. Dez. 2021

    BGH: Ersatzlieferung eines erh. höherwertigen Nachfolgemodells kann Zuzahlung des Käufers erforern

    Urteil vom 8. Dezember 2021 – VIII ZR 190/19


    Der Bundesgerichtshof hat sich erneut mit Fragen betreffend den Nacherfüllungsanspruch eines Käufers eines aufgrund einer unzulässigen Abschalteinrichtung mangelhaften Neufahrzeugs beschäftigt (vgl. hierzu bereits Senatsurteile vom 21. Juli 2021 - VIII ZR 254/20 et al. – Pressemitteilung Nr. 140/2021) und seine diesbezügliche Rechtsprechung weiterentwickelt.


    Sachverhalt:


    Der Kläger erwarb im Juni 2015 von der beklagten Fahrzeughändlerin im Rahmen eines Verbrauchsgüterkaufs zum Preis von 19.910 € ein mit einem Dieselmotor EA 189 ausgestattetes Neufahrzeug Volkswagen Caddy III, dessen Motorsteuerungssoftware den Prüfstandlauf erkannte und in diesem Fall den Ausstoß von Stickoxiden verringerte. Nachdem die Verwendung entsprechender Vorrichtungen bei Dieselmotoren des Typs EA 189 im Verlauf des sogenannten Dieselskandals öffentlich bekannt geworden war, teilte der Fahrzeughersteller dem Kläger im Dezember 2016 mit, dass für sein Fahrzeug nunmehr ein zur Beseitigung der Abschalteinrichtung entwickeltes und vom Kraftfahrtbundesamt freigegebenes Software-Update zur Verfügung stehe. Der Kläger lehnte das Aufspielen des Updates ab und verlangte stattdessen im Mai 2017 von der Beklagten die Ersatzlieferung eines mangelfreien Neufahrzeugs des Nachfolgemodells Volkswagen Caddy IV. Die Beklagte verweigerte eine Nachlieferung unter anderem mit der Begründung, dass deren Kosten im Vergleich zu dem Aufwand einer Nachbesserung durch das Software-Update unverhältnismäßig seien.


    Bisheriger Prozessverlauf:


    In den Vorinstanzen hat der Kläger mit seinem auf Lieferung eines fabrikneuen, typengleichen Ersatzfahrzeugs gerichteten Begehren keinen Erfolg gehabt. Nach Auffassung des Berufungsgerichts hat die Beklagte die Ersatzlieferung gemäß § 439 Abs. 3 BGB (alte Fassung; nunmehr § 439 Abs. 4 BGB) verweigern dürfen, weil für die Ersatzlieferung eines mangelfreien Neufahrzeugs in Gestalt des zwischenzeitlich auf den Markt getretenen Nachfolgemodells Volkswagen Caddy IV nach Angaben der Beklagten nunmehr Beschaffungskosten von 27.536,60 € anfielen, so dass die Kosten einer solchen Ersatzlieferung (auch nach Abzug des Wertes des vom Kläger zurückzugebenden ursprünglich erworbenen Fahrzeugs) die Kosten für die Umrüstung durch das Software-Update von maximal 100 € um mehr als das 117-fache überschritten und damit unverhältnismäßig seien (sogenannte relative Unverhältnismäßigkeit). Soweit der Kläger demgegenüber eingewandt habe, eine Nachbesserung durch das vom Hersteller entwickelte Update scheide von vornherein aus, weil es zur Installation einer anderen Abschalteinrichtung ("Thermofenster"), zu Folgeschäden (Leistungsverlust, höherer Kraftstoffverbrauch u.a.) und zu einem merkantilen Minderwert des Fahrzeugs führte, seien seine Behauptungen ohne Substanz.


    Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision hat der Kläger sein Klagebegehren weiterverfolgt.


    Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs:


    Der unter anderem für das Kaufrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass der Käufer eines (hier aufgrund einer unzulässigen Abschalteinrichtung) mangelhaften Neufahrzeugs im Rahmen seiner Gewährleistungsrechte die Ersatzlieferung eines nunmehr hergestellten Nachfolgemodells nur gegen eine angemessene Zuzahlung verlangen kann, wenn dieses einen erheblichen Mehrwert gegenüber dem ursprünglich erworbenen Fahrzeug aufweist. Weiter hat der Senat klargestellt, dass die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen der tatsächlichen Voraussetzungen der Unverhältnismäßigkeitseinrede des Verkäufers nach § 439 Abs. 3 BGB (alte Fassung), der den Käufer auf eine kostengünstigere Nachbesserung verweisen will, grundsätzlich den Verkäufer trifft.


    Der Senat hat zunächst seine Urteile vom 21. Juli 2021 (VIII ZR 254/20 et al. – Pressemitteilung Nr. 140/2021) bestätigt, wonach eine vom Käufer eines mangelhaften Neuwagens geforderte Ersatzlieferung gemäß § 437 Nr. 1, § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2, § 439 Abs. 1 Alt. 2 BGB nicht bereits deshalb unmöglich (§ 275 Abs. 1 BGB) und damit ausgeschlossen ist, weil anstelle des ursprünglich erworbenen Fahrzeugmodells zwischenzeitlich ein Nachfolgemodell auf den Markt getreten ist. Vielmehr erstreckt sich die sog. Beschaffungspflicht des Verkäufers in einem solchen Fall – bei beiderseits interessengerechter Auslegung der auf den Abschluss des Kaufvertrags gerichteten Willenserklärungen - auch auf ein neuwertiges Nachfolgemodell, solange der Käufer seinen Nachlieferungsanspruch - wie vorliegend geschehen - innerhalb eines Zeitraums von zwei Jahren ab Vertragsabschluss gegenüber dem Verkäufer geltend gemacht hat.


    Soweit in einem solchen Fall das betreffende Nachfolgemodell allerdings – was der Verkäufer darzulegen und ggfs. zu beweisen hat - einen erheblichen Mehrwert gegenüber dem ursprünglich erworbenen Modell aufweist, der eine Erhöhung des Listenpreises um ein Viertel oder mehr voraussetzt, ist weiter zu prüfen, ob nach dem nach beiden Seiten interessengerecht auszulegenden Parteiwillen die Ersatzlieferung eines solchen Nachfolgemodells nur gegen eine angemessene Zuzahlung des Käufers als austauschbar anzusehen ist. Liegt die Differenz der Listenpreise unter diesem Wert, scheidet eine Obliegenheit des Käufers zu einer Zuzahlung aus. Ist die genannte Grenze erreicht, ist bezüglich einer Zuzahlung des Käufers zu beachten, dass sie weder dessen Nacherfüllungsanspruch aushöhlen darf noch den Verkäufer von jeglicher mit der Nacherfüllung einhergehenden wirtschaftlichen Belastung befreien soll. Daher hat der Käufer die einen erheblichen Mehrwert begründende Differenz zwischen den Listenpreisen nicht vollständig, sondern in der Regel lediglich in Höhe eines Drittels (in Ausnahmefällen bis zur Hälfte) auszugleichen. Falls der Käufer zu einer hiernach angemessenen – im jeweiligen Einzelfall vom Tatrichter nach freiem Schätzungsermessen zu bestimmenden – Zuzahlung nicht bereit sein sollte, entfällt die das Nachfolgemodell erfassende Beschaffungspflicht des Verkäufers und damit auch ein hierauf gerichteter Nachlieferungsanspruch des Käufers. Etwaige weitere Gewährleistungsansprüche des Käufers bleiben hiervon allerdings unberührt.


    Nach den bisherigen Feststellungen des Berufungsgerichts kann vorliegend nicht ausgeschlossen werden, dass das vom Kläger im Rahmen seines Nachlieferungsbegehrens beanspruchte Modell der vierten Fahrzeuggeneration des VW Caddy gegenüber dem ursprünglich erworbenen Modell der dritten Generation einen erheblichen Mehrwert aufweist und nach den vom Senat entwickelten Grundsätzen ein entsprechender Nachlieferungsanspruch deshalb nur gegen eine angemessene Zuzahlung des Klägers in Betracht kommen könnte. Um dies abschließend beurteilen zu können, bedarf es allerdings zunächst einer Feststellung der zu vergleichenden Listenpreise durch das Berufungsgericht.


    Auf die von der Beklagten erhobene Einrede der relativen Unverhältnismäßigkeit nach § 439 Abs. 3 BGB (alte Fassung) kommt es nur an, wenn nach den aufgezeigten Grundsätzen eine Beschaffungspflicht der Beklagten hinsichtlich des Nachfolgemodells besteht. Bezüglich dieser Einrede hat der Senat klargestellt, dass der Verkäufer eine vom Käufer verlangte Nachlieferung wegen im Vergleich zur Nachbesserung unverhältnismäßiger Kosten nur dann verweigern kann, wenn der betreffende Mangel durch die von ihm angebotene Nachbesserung vollständig, nachhaltig und fachgerecht beseitigt würde. Daran fehlt es aber, falls zwar der ursprüngliche Mangel beseitigt wird, hierdurch jedoch Folgemängel hervorgerufen werden. Insofern ist zu beachten, dass nach allgemeinen Grundsätzen der Verkäufer für das Vorliegen der Voraussetzungen der von ihm erhobenen Unverhältnismäßigkeitseinrede darlegungs- und beweisbelastet ist.


    Vorliegend ist zwar nicht streitig, dass das dem Kläger angebotene Software-Update die Prüfstanderkennungssoftware entfernen und damit den bei Übergabe vorhandenen Sachmangel beseitigen würde. Allerdings hat der Kläger im Rahmen seiner insoweit lediglich sekundären Darlegungslast hinreichend konkret auf - seiner Auffassung nach - durch das Update verursachte Folgemängel und einen unabhängig hiervon am Fahrzeug infolge der Betroffenheit vom sogenannten Abgasskandal verbleibenden merkantilen Minderwert verwiesen. Insbesondere durfte sich der Kläger dabei auch auf nur vermutete Tatsachen stützen, denn er kann mangels eigener Sachkunde und hinreichenden Einblicks in die Funktionsweise des Software-Updates keine genaue Kenntnis von dessen konkreten Auswirkungen haben. Ausgehend von der primären Darlegungslast und der Beweislast der Beklagten im Rahmen der von ihr erhobenen Unverhältnismäßigkeitseinrede ist es deshalb - was das Berufungsgericht verkannt hat - ihre Aufgabe, diese vom Kläger hinreichend konkret behaupteten Umstände, gegebenenfalls unter Einholung von zu diesem Zweck angebotener Sachverständigengutachten, auszuräumen. Dies gilt nicht zuletzt für die Behauptung des Klägers, mit dem Software-Update werde erneut eine unzulässige Abschalteinrichtung in Gestalt einer temperaturabhängigen Steuerung der Abgasrückführung (sog. Thermofenster) implementiert, der die Beklagte nach den Feststellungen des Berufungsgerichts entgegenhält, dieses Vorgehen sei zum Schutz von Bauteilen erforderlich.


    Nach alledem hat der Senat das Urteil des Berufungsgerichts aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses zurückverwiesen.


    Quelle: Pressemitteilung des Bundesgerichtshofs, Nr. 216/2021

    • Kfz-Abgasskandal
      • 24. Nov. 2021

    BGH: Audi haftet auf Schadensersatz für manipulierte Motoren von VW

    Urteile vom 25. November 2021 - VII ZR 238/20, VII ZR 243/20, VII ZR 257/20 und VII ZR 38/21


    Der unter anderem für Schadensersatzansprüche aus unerlaubten Handlungen, die den Vorwurf einer unzulässigen Abschalteinrichtung bei einem Kraftfahrzeug mit Dieselmotor zum Gegenstand haben, zuständige VII. Zivilsenat hat in vier gleichzeitig verhandelten Sachen über Schadensersatzansprüche gegen die AUDI AG im Zusammenhang mit der sogenannten "Umschaltlogik" beim Motortyp EA 189 entschieden und hierbei die stattgebenden Entscheidungen der Vorinstanzen jeweils bestätigt.


    Sachverhalt:


    In den vier Verfahren nahmen die jeweiligen Klageparteien die beklagte Fahrzeugherstellerin auf Schadensersatz wegen Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung für die Abgasreinigung in Anspruch.


    Der Kläger im Verfahren VII ZR 238/20 erwarb im April 2014 einen von der Beklagten hergestellten Pkw Audi Q5 2.0 TDI als Gebrauchtwagen zum Preis von 20.500 €. Die Klägerin im Verfahren VII ZR 243/20 erwarb im März 2014 einen von der Beklagten hergestellten Pkw Audi A3 1.6 TDI als Gebrauchtwagen zum Preis von 12.000 €. Der Kläger im Verfahren VII ZR 257/20 erwarb im November 2014 einen von der Beklagten hergestellten Pkw Audi A5 Sportback 2.0 TDI als Gebrauchtwagen zum Preis von 29.970 €. Der Kläger im Verfahren VII ZR 38/21 erwarb im Juni 2009 ein von der Beklagten hergestelltes Neufahrzeug Audi A4 2.0 TDI zum Preis von 30.526,80 €.


    Die vier Fahrzeuge sind jeweils mit einem von der Volkswagen AG hergestellten Dieselmotor der Baureihe EA 189 ausgestattet. Dieser verfügte über eine Software, die den Stickoxidausstoß im Prüfstand verringerte. Die Motorsteuerung war so programmiert, dass bei Messung der Schadstoffemissionen auf einem Prüfstand diese Situation erkannt wird. Nach Bekanntwerden der "Umschaltlogik" verpflichtete das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) die Beklagte zur Entfernung der als unzulässige Abschalteinrichtung qualifizierten Software und dazu, geeignete Maßnahmen zur Wiederherstellung der Vorschriftsmäßigkeit zu ergreifen. Daraufhin wurde ein Software-Update entwickelt, welches auf das Fahrzeug der jeweiligen Klagepartei aufgespielt wurde.


    Bisheriger Prozessverlauf:


    Die in der Hauptsache zuletzt jeweils auf Erstattung des Kaufpreises abzüglich einer Nutzungsentschädigung Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs gerichteten Klagen hatten in den Vorinstanzen überwiegend Erfolg.


    Entscheidung des Bundesgerichtshofs:


    Der Bundesgerichtshof hat mit seinen vier heute verkündeten Urteilen die Revisionen der Beklagten zurückgewiesen.


    Das Berufungsgericht hat im Ergebnis in allen vier Fällen einen Schadensersatzanspruch der jeweiligen Klagepartei aus § 826 BGB zu Recht angenommen. Es hat in tatrichterlicher Würdigung rechtsfehlerfrei festgestellt, dass ein verfassungsmäßig berufener Vertreter der Beklagten im Sinne von § 31 BGB die objektiven und subjektiven Tatbestandsvoraussetzungen des § 826 BGB verwirklicht hat. Die Beklagte handelte sittenwidrig, indem sie Fahrzeuge mit dem von der Volkswagen AG gelieferten Motor EA 189, darunter die streitgegenständlichen Fahrzeuge, in den Verkehr brachte, obwohl nach den tatrichterlichen Feststellungen wenigstens eine verantwortlich für sie handelnde Person wusste, dass der Motor mit einer auf arglistige Täuschung des KBA abzielenden Prüfstandserkennungssoftware ausgestattet war.


    Zwar kann das sittenwidrige Verhalten eines verfassungsmäßig berufenen Vertreters einer juristischen Person entgegen der Annahme des Berufungsgerichts nicht mittels einer Zurechnung fremden Wissens entsprechend § 166 BGB begründet werden (Anschluss an BGH, Urteil vom 8. März 2021 - VI ZR 505/19, NJW 2021, 1669; Urteil vom 28. Juni 2016 - VI ZR 536/15, NJW 2017, 250). Auch scheidet vorliegend die vom Berufungsgericht angenommene Haftung wegen einer angeblich unzulässigen Organisation des Typgenehmigungsverfahrens aus. Ebenso wenig tragfähig sind die berufungsgerichtlichen Erwägungen, die Beklagte sei verpflichtet und in der Lage gewesen, den Motor EA 189 eigenständig auf Gesetzesverstöße zu überprüfen und zu diesem Zweck Auskünfte der Volkswagen AG einzuholen. Etwaige Versäumnisse der Beklagten in dieser Hinsicht könnten grundsätzlich nicht den für eine Haftung aus § 826 BGB erforderlichen Vorsatz, sondern lediglich einen Fahrlässigkeitsvorwurf begründen.

    Das Berufungsgericht hat jedoch in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise selbständig tragend die freie tatrichterliche Überzeugung gemäß § 286 Abs. 1 Satz 1 ZPO gewonnen, dass wenigstens ein an der Entscheidung über den Einsatz des Motors EA 189 in Fahrzeugen der Beklagten beteiligter Repräsentant der Beklagten im Sinne des § 31 BGB von der - evident unzulässigen (BGH, Beschluss vom 19. Januar 2021 - VI ZR 433/19 Rn. 17, VersR 2021, 388) - "Umschaltlogik" gewusst habe.


    Gemäß § 286 Abs. 1 Satz 1 ZPO ist es grundsätzlich Sache des Tatrichters, unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder nicht wahr zu erachten ist. Das Revisionsgericht kann insoweit nur prüfen, ob sich der Tatrichter mit dem Prozessstoff umfassend und widerspruchsfrei auseinandergesetzt hat, die Würdigung also vollständig und rechtlich möglich ist und nicht gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstößt. Rechtsfehler in diesem Sinne hat die Revision jeweils nicht aufgezeigt.


    Quelle: Pressemitteilung des Bundesgerichtshofs, Nr. 216/2021

    • Kfz-Abgasskandal
      • 28. Juli 2021

    BGH zur Verjährung beim Kfz-Abgasskandal

    Urteil vom 29. Juli 2021 - VI ZR 1118/20


    Sachverhalt


    Der Kläger erwarb im September 2013 einen gebrauchten VW Tiguan, der mit einem Dieselmotor vom Typ EA189 (EU5) ausgestattet ist. Der beklagte Fahrzeughersteller erklärte im September 2015 in einer Ad-hoc-Mitteilung, dass bei weltweit rund elf Millionen Fahrzeugen mit Motoren vom Typ EA189 auffällige Abweichungen zwischen den auf dem Prüfstand gemessenen Emissionswerten und denen im realen Fahrzeugbetrieb festgestellt worden seien. In der Folge trat die Beklagte wiederholt an die Öffentlichkeit; die Medien berichteten umfangreich über das Geschehen.


    Mit seiner im Jahr 2019 eingereichten Klage verlangt der Kläger, nachdem er seine Ansprüche zuvor zum Klageregister der Musterfeststellungsklage an- und wieder abgemeldet hatte, Erstattung des für das Fahrzeug gezahlten Kaufpreises nebst Zinsen Zug um Zug gegen Zahlung von Wertersatz maximal in Höhe des erzielten Erlöses für das zwischenzeitlich weiterveräußerte Fahrzeug. Die Beklagte hat u.a. die Einrede der Verjährung erhoben.


    Bisheriger Prozessverlauf


    Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen, weil die Ansprüche des Klägers verjährt seien. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgte der Kläger sein Schadensersatzbegehren weiter.


    Entscheidung des Bundesgerichtshofs


    Der unter anderem für Ansprüche aus unerlaubter Handlung zuständige VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat die Entscheidung des Berufungsgerichts aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückgegeben.


    Auf der Grundlage der bislang getroffenen Feststellungen lässt sich dem Kläger keine - den Beginn der dreijährigen Verjährungsfrist im Jahr 2015 auslösende - grob fahrlässige Unkenntnis von den den Anspruch begründenden Umständen i.S.d. § 199 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 BGB vorwerfen. Das Berufungsgericht hat es versäumt festzustellen, ob der Kläger allgemein vom sogenannten Dieselskandal Kenntnis erlangt hatte. Eine solche Feststellung mag angesichts der umfangreichen Berichterstattung zwar naheliegen, ist aber Sache des Tatrichters.


    Der von der Beklagten erhobenen Einrede der Verjährung steht darüber hinaus eine Hemmung der Verjährung durch die Anmeldung des entsprechenden klägerischen Anspruchs zum Klageregister der Musterfeststellungsklage entgegen. Die Hemmungswirkung nach § 204 Abs. 1 Nr. 1a BGB tritt im Falle eines wirksam angemeldeten Anspruchs grundsätzlich bereits mit Erhebung der Musterfeststellungsklage und nicht erst mit wirksamer Anmeldung des Anspruchs zu deren Register ein, auch wenn die Anspruchsanmeldung selbst erst im Jahr 2019 und damit nach Ablauf der ursprünglichen Verjährungsfrist erfolgt sein sollte.


    Dem Kläger ist es auch nicht allein deshalb nach Treu und Glauben verwehrt, sich auf diesen Hemmungstatbestand zu berufen, weil er seinen Anspruch ausschließlich zum Zweck der Verjährungshemmung zum Klageregister angemeldet hatte.


    Quelle: Pressemitteilung des Bundesgerichtshofs, Nr. 150/2021

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