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OLG Frankfurt: Keine allgemeine Geltung der Vorfahrtsregel „rechts vor links“ auf Parkplätzen

von Patrick Redell

Urteil vom 22.06.2022 - 17 U 21/22

Die 17. Zivilkammer des Oberlandesgericht Frankfurt am Main hat nun entschieden, dass Fahrgassen auf Parkplätzen grundsätzlich keine dem fließenden  Verkehr dienenden Straßen seien und deshalb keine Vorfahrt gewähren würden. Zwar seien die Regeln der Straßenverkehrsordnung (StVO) auf öffentlich zugänglichen Privatparkplätzen anwendbar, und zwar unabhängig davon, ob der Eigentümer der Parkfläche die Geltung  der StVO durch eine Beschilderung ausdrücklich angeordnet hat. Kreuzen sich zwei dem Parkplatzsuchverkehr dienende Fahrgassen eines Parkplatzes  bzw. eines Parkhauses, würde für die herannahenden Fahrzeugführer aber das Prinzip der gegenseitigen Rücksichtnahme (§ 1 StVO) gelten, d. h. dass jeder Fahrzeugführer verpflichtet sei, defensiv zu fahren und  die Verständigung mit dem jeweils anderen Fahrzeugführer zu suchen.

Etwas anderes würde nur dann gelten, wenn die angelegten Fahrspuren eindeutig  und unmissverständlich Straßencharakter hätten und sich bereits aus ihrer  baulichen Anlage ergebe, dass sie nicht der Suche von freien Parkplätzen dienen, sondern der Zu- und Abfahrt der Fahrzeuge. Für den Straßencharakter können eine für den Begegnungsverkehr ausreichende  Breite der Fahrgassen und andere leicht fassbare bauliche Merkmale einer  Straße wie Bürgersteige, Randstreifen oder Gräben sprechen. Maßgeblich sei jedoch, dass die Funktion des §  8 Absatz I StVO,  nämlich die Schaffung und Aufrechterhaltung eines (quasi) fließenden  Verkehrs, auf der fraglichen Verkehrsfläche deutlich im Vordergrund steht. Eine Fahrgasse zwischen markierten Parkreihen ist daher keine Fahrbahn mit Straßencharakter, wenn die Abwicklung des ein- und  ausparkenden Rangierverkehrs zumindestens auch zweckbestimmend sei.

Auf einem Parkplatz, auf dem der Betreiber die Geltung der  Straßenverkehrsordnung (StVO) angeordnet hatte, war es zu einem Zusammenstoß zwischen zwei Fahrzeugen gekommen. Auf die zur Ausfahrt des Parkplatzgeländes führende Fahrgasse mündeten von rechts mehrere Fahrgassen ein. Sowohl in den seitlichen Fahrgassen als auch in der  Ausfahrtsfahrgasse befanden sich Parkboxen. Der Kläger befuhr die  Ausgangsfahrgasse, der Beklagte kam aus einer der rechten Fahrgassen. Im  Einmündungsbereich der Fahrgassen kam es dann zum Unfll. Das  Landgericht hatte der Klage auf Basis einer Haftung des Beklagten in Höhe von 25 Prozent noch stattgegeben.